Warum sich der Einkauf gerade so teuer anfühlt – und was wirklich dahintersteckt

Warum sich der Einkauf gerade so teuer anfühlt – und was wirklich dahintersteckt

Ob die Dose Cola im Italienurlaub oder die Chips im deutschen Supermarkt kurz nach der Grenze – in sozialen Netzwerken kursieren derzeit viele Beiträge, die sich mit einem Thema beschäftigen: Warum ist der Einkauf in Österreich teurer geworden? Und: Warum scheint es im Ausland oft günstiger zu sein?

Tatsächlich spüren viele Menschen die gestiegenen Preise ganz unmittelbar bei ihrem täglichen Einkauf. Im Juni 2025 lag die Inflationsrate in Österreich bei 3,3 %, Lebensmittel verteuerten sich im selben Zeitraum jedoch um 5,6 % – also stärker als der allgemeine Warenkorb. Der Unmut ist verständlich. Umso wichtiger ist die Frage: Woher kommen diese Preissteigerungen eigentlich?

Zwischen Acker und Regal: Wo Lebensmittelpreise entstehen
Die Preise, die Konsument:innen an der Kassa bezahlen, bilden das letzte Glied einer hochkomplexen Kette ab. Diese beginnt beim Bauernhof, geht über Molkereien, Schlachthöfe, Mühlen, Lebensmittelhersteller, Transportunternehmen – und endet schließlich im Supermarkt. Die Folgen der Teuerung werden zwar im Supermarktregal sichtbar, ihr Ursprung liegt derzeit aber vor allem auf den vorgelagerten Stufen und auf den internationalen Rohstoffmärkten. Ein Blick auf einzelne Produktgruppen verdeutlicht diese Dynamik.

Rindfleisch: Ein Markt im Ungleichgewicht
Aktuell verzeichnen europäische Rindfleischmärkte Preisrekorde. Die Ursachen: sinkende Tierbestände, steigende Produktionskosten für Futter, Energie und Transport sowie Krankheitsausbrüche wie Blauzungenkrankheit oder Maul- und Klauenseuche. Die Nachfrage bleibt stabil – das geringe Angebot lässt die Erzeugerpreise steigen. Laut AMA lag der durchschnittliche Auszahlungspreis für Schlachtkühe zuletzt bei 6,23 Euro/kg – ein Anstieg von über 50 % im Vergleich zum Vorjahr.

Auch wenn der österreichische Handel bei Frischfleisch fast ausschließlich auf heimische Ware setzt, bleibt er nicht von internationalen Preisbewegungen verschont – Österreich ist ein Exportland, insbesondere Richtung Deutschland. Das bedeutet: Auch unsere heimischen Lebensmittel unterliegen den Preisschwankungen auf den europäischen und internationalen Märkten.

Milch: Qualität aus der Region – zu einem angemessenen Preis
Ähnlich zeigt sich das Bild bei Milchprodukten. Österreichs Molkereien setzen bewusst auf kleinstrukturierte, regionale Landwirtschaft und unterscheiden sich grundlegend von internationalen Konzernen aus Italien oder Deutschland, die teilweise zweistellige Milliardenumsätze machen. Im Gegensatz zu diesen Global Playern arbeiten heimische Betriebe mit deutlich geringeren Mengen, was sich auf die Produktionskosten auswirkt. Steigerungen bei den Fixkosten für Dünger, Futter und Energie schlagen besonders stark durch, und auch die Folgen des Klimawandels werden bereits spürbar: So sind die Preise für Milchfette im letzten Jahr stark angestiegen, da der Fettanteil der Milch aufgrund des heißen Sommers stark gesunken ist. Weniger Fett in der Milch bedeutet, dass für die gleiche Menge Butter mehr Milch benötigt wird. So wurden laut NÖM für ein Kilogramm Butter im Jahr 2024 rund 21 Liter Milch benötigt. Natürlich wirkt sich dies auch auf die Menge der am Markt verfügbaren Milch aus – und weniger Angebot bei gleichbleibender Nachfrage erhöht den Preis.
Der Preis für GVO-freie Rohmilch in Österreich ist binnen fünf Jahren von 36,24 auf 55,80 Cent pro Kilogramm gestiegen. Auch hier handelt es sich nicht um Preisgestaltung durch den Handel, sondern um real gestiegene Kosten entlang der gesamten Kette – vom Stall bis ins Kühlregal.

Globale Rohstoffmärkte unter Druck
Internationale Entwicklungen tragen zusätzlich zur Teuerung bei. Rohstoffe wie Kaffee, Kakao oder Orangensaftkonzentrat haben sich massiv verteuert. Dürreperioden in Brasilien, Hitzewellen in Vietnam oder Missernten in Westafrika sorgten für Engpässe – und damit für teils historische Preisanstiege: Der Kakaopreis etwa stieg im Frühjahr 2024 um 280 % innerhalb weniger Wochen. Diese globalen Entwicklungen treffen auch Österreich – der Handel hat hier keine Möglichkeit, die Ursachen zu beeinflussen.

Warum Auslandspreise nicht mit Österreich vergleichbar sind
Viele Konsument:innen berichten, dass Lebensmittel im Urlaub günstiger erscheinen – etwa beim Einkauf in Italien oder Deutschland. Doch solche Vergleiche sind mitunter irreführend.

Österreich zeichnet sich durch eine sehr hohe Produktvielfalt, einen starken Anteil regionaler Erzeugnisse und hohe Qualitätsstandards aus. Das betrifft besonders Frischeprodukte wie Fleisch, Milch oder Brot. Ein internationaler Vergleich ist bei diesen Produkten also gar nicht möglich.

Aber auch bei internationalen Markenprodukten, wie der zu Beginn angesprochenen Dose Cola, wird ein echter Vergleich schwierig. Regelmäßig greifen Medienberichte oder Studien von Konsumentenorganisationen einzelne internationale Markenprodukte heraus, um Preisunterschiede zwischen Österreich und Deutschland zu illustrieren. Solche Vergleiche mögen auf den ersten Blick plausibel wirken, blenden jedoch zentrale wirtschaftliche und strukturelle Rahmenbedingungen aus.

Deutschland ist für die meisten Markenhersteller ein strategisch relevanter Markt mit einem vielfach höheren Absatzvolumen – entsprechend stärker ist dort auch die Verhandlungsmacht der Handelsunternehmen. Österreich hingegen gilt als kleiner Markt. Die Folge: höhere Großhandelspreise, künstlich erzeugt durch sogenannte territoriale Lieferbeschränkungen, die es österreichischen Handelsunternehmen verunmöglichen, zu denselben Konditionen wie ihre deutschen Pendants einzukaufen. Diese Praxis widerspricht dem Geist des EU-Binnenmarkts, ist aber gelebte Realität.

Ein Vergleich der Marktvolumina unterstreicht diese Unterschiede:
Während der umsatzstärkste deutsche Händler im Jahr 2021 über 61 Milliarden Euro umsetzte, lag der gesamte österreichische Lebensmittelhandel im Jahr 2022 bei einem Gesamtvolumen von 25,8 Milliarden Euro. Diese Diskrepanz in der Marktmacht wirkt sich direkt auf Einkaufspreise – und somit auf Endverbraucherpreise – aus.

Doch die Marktgröße ist nur einer von mehreren Faktoren, die Preisunterschiede zwischen Ländern erklären:

Topografie: Österreich weist eine wesentlich kleinteiligere Siedlungsstruktur als Deutschland auf. Während große Handelsflächen in flachen, dicht besiedelten Regionen Deutschlands wirtschaftlich effizient betrieben werden können, erfordert die Nahversorgung in Österreich – insbesondere im ländlichen und alpinen Raum – ein dichtes Netz kleinerer Filialen. Diese Infrastruktur ist kostenintensiver.
Energiekosten: Der Betrieb von Supermärkten ist energieintensiv – etwa durch Kühlung, Beleuchtung und Bäckereistationen. Österreich zählt zu den Ländern mit den höchsten Energiepreisen Europas, was nicht nur den Handel, sondern auch Landwirtschaft, Verarbeitung und Logistik belastet.
Lohnniveau: Österreich ist ein hochentwickelter Sozialstaat mit vergleichsweise hohen Löhnen und Lohnnebenkosten. Der Lebensmittelhandel als besonders personalintensive Branche ist davon unmittelbar betroffen. Lohnsteigerungen lassen sich kaum intern kompensieren.
Indexierungen und regulatorische Rahmenbedingungen: Maßnahmen wie die CO₂-Bepreisung, steigende Gemeindegebühren (z. B. für Wasser, Kanal oder Müll) oder nationale Vorgaben wie die verpflichtende Errichtung von E-Ladepunkten auf Supermarktparkplätzen führen zu erheblichen Zusatzkosten – unabhängig von deren tatsächlicher Nutzung oder Netzinfrastruktur.

All diese Faktoren tragen dazu bei, dass Lebensmittelpreise in Österreich auf einem anderen Niveau liegen als in größeren oder strukturell anders aufgestellten Märkten. Pauschale Preisvergleiche ohne Kontext greifen aber zu kurz – und führen zu verzerrten Wahrnehmungen, die einer sachlichen Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Ursachen nicht gerecht werden. Zumal die Statistik belegt: Die Belastung für die heimischen Haushalte ist geringer als subjektiv empfunden:

Haushaltsbudget: Wie viel geben wir tatsächlich für Lebensmittel aus?
Ein aussagekräftiger Indikator für die Belastung durch Lebensmittelpreise ist, welchen Anteil des Haushaltseinkommens dafür aufgewendet wird. In diesem Vergleich zeigt sich, dass Österreich im EU-weiten Vergleich sehr gut abschneidet: Im Jahr 2022 betrug der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel am gesamten Konsum etwa 10,3 % – einer der niedrigsten Werte überhaupt. Zum Vergleich: In Italien lag dieser Anteil bei circa 15 %

Das bedeutet: Obwohl viele Konsument:innen persönlich spürbar höhere Preise wahrnehmen, bleibt der relative Anteil der Lebensmittelkosten am gesamten Konsumniveau niedrig – und liegt unter dem Durchschnitt der meisten EU-Länder. Damit relativiert sich die Wahrnehmung, dass in Österreich alles besonders teuer sei – und unterstreicht: Das Preisniveau mag subjektiv belastend wirken, aber insgesamt ist die Finanzlast im europäischen Vergleich moderat.

Der Handel als Preispuffer – nicht als Preistreiber
Der österreichische Lebensmittelhandel agiert am Ende einer komplexen und zunehmend kostenintensiven Wertschöpfungskette – und steht dabei selbst unter hohem wirtschaftlichem Druck. Die durchschnittliche Umsatzrendite liegt in vielen Fällen bei unter 1,5 %, wie auch die Bundeswettbewerbsbehörde in ihrem Branchenbericht bestätigt hat. Gewinne werden fast ausschließlich über die Menge erzielt, was bedeutet: Schon geringe Kostensteigerungen auf den vorgelagerten Stufen lassen sich kaum intern kompensieren und schlagen sich letztlich – zumindest teilweise – in den Verkaufspreisen nieder.

Immer wieder wird der Branche eine marktbeherrschende Stellung einzelner Unternehmen unterstellt. Auch diese Annahme wurde von der Bundeswettbewerbsbehörde im Rahmen ihrer Untersuchung entkräftet: Der Markt funktioniert, Wettbewerb ist gegeben – trotz höherer Konzentration, die in kleineren Märkten wie Österreich strukturell nicht unüblich ist. Zudem ist die heutige Marktstruktur das Ergebnis wirtschaftlicher Entwicklungen der Vergangenheit, etwa durch das Ausscheiden früherer Anbieter, und nicht durch aktives Fehlverhalten der heutigen Marktteilnehmer entstanden.

Positiv zu bewerten ist dabei, dass bei früheren Marktaustritten – etwa im Falle der „Konsum-Pleite“ – bestehende Standorte samt Personal weitgehend übernommen wurden. Das sichert nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die flächendeckende Nahversorgung. Ohne diese Übernahmen hätte es zu empfindlichen Versorgungslücken kommen können – gerade in strukturschwächeren Regionen.

Was auch häufig übersehen wird: Der Lebensmittelhandel ist mit rund 140.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber des Landes und gleichzeitig der wichtigste Lehrlingsausbilder. Setzt man die niedrigen Margen in Relation zur Zahl der Beschäftigten, wird deutlich: Der Gewinn pro Mitarbeiter liegt bei einem Bruchteil des Branchenschnitts anderer Wirtschaftszweige. Pauschale Vorwürfe, der Handel würde an der Teuerung „mitverdienen“ oder gar „abkassieren“, halten einer faktenbasierten Analyse nicht stand.
Vielmehr fungiert der Handel in vielen Bereichen als Preispuffer – mit begrenztem Spielraum, aber hoher Verantwortung für Versorgungssicherheit, Qualität, Regionalität und Beschäftigung. Wer langfristige Lösungen für stabile Preise sucht, muss deshalb bei den strukturellen Ursachen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ansetzen – nicht bei jenen, die am Ende dieser Kette stehen.

Fazit:
Ja, viele Produkte sind teurer geworden. Ja, das spürt man beim Einkauf. Aber: Der Handel ist nicht der Ursprung dieser Teuerung, sondern deren letzte Station.
Wer über wirksame Lösungen sprechen will, muss tiefer ansetzen – bei der globalen Rohstoffversorgung, bei strukturellen Reformen, bei europäischen Lieferbedingungen und staatlich verursachten Mehrkosten. Symbolpolitik wie Preisdeckelungen helfen nicht weiter – sie verschärfen in vielen Fällen sogar die Situation.
Der österreichische Lebensmittelhandel steht – trotz aller Herausforderungen – für Versorgungssicherheit, Qualität, Regionalität und Arbeitsplätze. Das hat seinen Preis. Und dieser ist angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen keinesfalls unverhältnismäßig.

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